Vorfälligkeitsentschädigung: Kann man die Strafzahlung verhindern?

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Wer ein Hypothekendarlehen mit langjähriger Zinsbindung vorzeitig kündigt, muss der Bank oft eine Art Strafzahlung, die Vorfälligkeitsentschädigung, zahlen. Erfahre wie hoch die Strafzahlung ausfallen kann, wie sie berechnet wird und in welchen Fällen du sie umgehen kannst.

Was ist eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Baudarlehen haben zumeist eine langlaufende Zinsbindung von oft zehn oder mehr Jahren. Das hat für den Bauherrn den Vorteil, dass sich seine monatliche Rate über einen sehr langen Zeitraum nicht ändert. Nachteilig ist allerdings, dass ein Darlehen mit Zinsfestschreibung nicht einfach vorzeitig gekündigt werden kann. Es gilt: Vertrag ist Vertrag.

Auf einen vorzeitigen Ausstieg aus dem Darlehensvertrag gibt es keinen Rechtsanspruch. Viele Banken lassen sich allerdings auf eine vorzeitige Kündigung ein, wenn es gewichtige Gründe für diese gibt. Die Bank verlangt in solchen Fällen allerdings eine Vorfälligkeitsentschädigung für entgangene Gewinne. Je nach Darlehenshöhe und Restlaufzeit kann sich diese auf etliche tausend Euro belaufen.

Der Rechtsanspruch einer Bank auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung ist in Paragraph 502 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) geregelt.

Wie die Vorfälligkeitsentschädigung berechnet wird

Banken dürfen die Vorfälligkeitsentschädigung nicht willkürlich nach Belieben berechnen.

Grundsätzlich gibt es zwei Methoden, wie die Entschädigung berechnet werden kann:

  • Die Aktiv-Aktiv-Methode: Hier geht die Bank davon aus, dass das zurückgezahlte Darlehen sofort an einen anderen Kunden als Darlehen ausgezahlt wird. Bei einem zwischenzeitlich gesunkenen Zinsniveau kann die Bank ihren dabei entgangenen Gewinn als Entschädigung verlangen.
  • Die Aktiv-Passiv-Methode: Hier wird davon ausgegangen, dass die Bank das vorzeitig zurückgezahlte Darlehen am Kapitalmarkt anlegt. Erzielt sie dort eine geringere Verzinsung, so ist das die Berechnungsgrundlage für die Vorfälligkeitsentschädigung.


Die Aktiv-Aktiv-Methode wäre für Verbraucher zumeist günstiger, da für Darlehen in der Regel höhere Zinsen verlangt werden, als festverzinsliche Kapitalmarktprodukte an Zinsen ausschütten. Üblich ist allerdings die Aktiv-Passiv-Methode. Hier gilt, vereinfacht gesagt, folgendes Berechnungsschema:

  • Ausgangspunkt ist zunächst der Zinsschaden, den die Bank durch die vorzeitige Auflösung des Vertrags für den restlichen Zeitraum der Zinsbindung erleidet. Dabei müssen vertragliche Optionen auf Sondertilgungen berücksichtigt werden, auch wenn der Kunde in der Vergangenheit keine Sondertilgungen leistete.

Vom Zinsschaden müssen aber folgende Positionen abgezogen werden:

  • Die ersparten Verwaltungskosten der Bank
  • Die ersparten Kosten des Bank-Risikos (Zahlungsausfallrisiko des Kreditnehmers)
  • Zinsen, die ein Hypothekenpfandbrief im entsprechenden Zeitraum abwerfen würde (diese sind in der Regel deutlich niedriger als die der Bank entgangenen Darlehenszinsen)

In der Regel sind die im Kreditvertrag vereinbarten Zinsen deutlich höher als die Zinsgewinne, die die Bank bei erneuter Anlage des vorzeitig zurückgezahlten Darlehensgeldes einstreichen kann. Daraus ergibt sich oft eine hohe an die Bank zu zahlende Vorfälligkeitsentschädigung.

BGH-Rechtsprechung schützt Verbraucher

Allerdings dürfen die Banken auch nicht zu ihren Gunsten tricksen, um eine möglichst hohe Vorfälligkeitsentschädigung zu erzielen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH):

  • Bei der Berechnung der Vorfälligkeitszinsen müssen die aktuellen Renditen von Pfandbriefen gemäß der Kapitalmarktstatistik der Deutschen Bundesbank herangezogen werden. Unzulässig ist es, wenn ein Kreditinstitut den für Verbraucher ungünstigeren bankinternen PEX-Index heranzuzieht. Dies hätte regelmäßig höhere Forderungen der Banken zur Folge (Az.: XI ZR 285/03).
  • Zudem muss die Bank bei der Berechnung der Vorfälligkeitsentschädigung etwaige Sondertilgungsrechte zu Gunsten des Kreditnehmers berücksichtigen (Az.: XI ZR 388/14).

Verbraucher sollten die Berechnung ihrer Bank deshalb prüfen oder sich von einem Verbraucherschutzverein beraten lassen.

Wann kann der Darlehensnehmer den Kredit vorzeitig kündigen?

Zwar besteht grundsätzlich kein Rechtsanspruch auf die vorzeitige Kündigung eines Hypothekendarlehensvertrags. Doch in manchen Fällen kann es auch im Interesse der Bank sein, ein Darlehen vorzeitig gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung aufzulösen.

  • wenn eine Ehe scheitert und die gemeinsame Immobilie deshalb verkauft werden muss, weil ansonsten die beiden Ex-Partner in eine finanzielle Schieflage gerieten.
  • wenn ein Verkauf der Immobilie wegen eines berufsbedingten Umzugs in eine ferne Stadt nötig ist.
  • Kein Grund für eine vorzeitige Kündigung des Darlehens liegt allerdings darin, dass der Darlehensnehmer einfach nur ein günstigeres Zinsniveau für eine Anschlussfinanzierung nutzen will.

Die Bank kündigt den Kredit - hat sie dann Anspruch auf eine Vorfälligkeitsentschädigung?

Immer dann, wenn die Kündigung durch die Bank erfolgt, kann die Bank kein Vorfälligkeitsentgelt verlangen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH; Az.: XI ZR 103/15). Erfolgt die Kündigung zum Beispiel, weil der Darlehensnehmer mit seinen Zahlungen in Verzug geraten ist, kann die Bank unter Umständen aber anderweitig Anspruch auf Schadensersatz statt auf Vorfälligkeitsentschädigung haben.

Wann lohnt sich die vorzeitige Kündigung für eine Umschuldung?

Seit Anfang 2022 steigen die Zinsen für Baudarlehen, aber auch für Hypothekenpfandbriefe deutlich. Wer aber heute die Möglichkeit hat, vorzeitig aus einem Darlehen auszusteigen, zahlt deshalb in der Regel deutlich weniger Vorfälligkeitsentschädigung als noch vor 2022. Wer sein Darlehen mit niedrigen Zinsen vorzeitig zurückzahlt, kommt unter Umständen sogar ganz ohne Vorfälligkeitsentschädigung davon.

Kann ich die Vorfälligkeitsentschädigung umgehen?

Vorfälligkeitsentschädigung, Paar, Foto: fizkes / stock.adobe.com
Bei vorzeitiger Darlehenskündigung verlangen Banken eine Vorfälligkeitsentschädigung. Sie sollte aber korrekt berechnet worden sein. Foto: fizkes / stock.adobe.com

In zwei Fällen kann eine vorzeitige Kündigung möglich sein, ohne dass der Darlehensnehmer eine Vorfälligkeitsentschädigung zahlen muss.

1.    Vorzeitiges Kündigungsrecht bei einer Laufzeit von mehr als zehn Jahren

Ist bei einem Darlehen eine Laufzeit von mehr als zehn Jahren vereinbart, hat der Kunde nach Ablauf von zehn Jahren ein vorzeitiges Kündigungsrecht. Die Kündigungsfrist beträgt dann sechs Monate. Nimmt der Bankkunde dies in Anspruch, muss er in diesem Fall keine Entschädigungszahlungen an die Bank leisten. Das bedeutet, dass der Kunde grundsätzlich nach zehn Jahren und sechs Monaten aus dem Darlehen raus kann, ohne Vorfälligkeitszinsen zahlen zu müssen. Die Bank hat umgekehrt keine Möglichkeit, dem Kunden vorzeitig zu kündigen (§ 489 BGB).

2.    Kündigung in Ausnahmefällen möglich: Fehlende oder fehlerhafte Widerrufsbelehrung

Viele Darlehensverträge aus den Jahren 2002 bis 2010 enthalten fehlerhafte Widerrufsbelehrungen. Grundsätzlich kann ein Darlehensvertrag innerhalb von 14 Tagen ohne Konsequenzen widerrufen werden. Ist die Widerrufsbelehrung im Darlehensvertrag jedoch missverständlich formuliert und damit unwirksam, beginnt die Frist in der Regel erst ein Jahr später zu laufen (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB). Die Konsequenz: Der Vertrag kann in solchen Fällen widerrufen werden. Eine Vorfälligkeitsentschädigung muss dann nicht gezahlt werden.

Info

Widerrufsjoker bei älteren Darlehen

Bei älteren Verbraucherdarlehen kann unter Umständen ein ewiges Widerrufsrecht, auch Widerrufsjoker genannt, gelten. Das gilt allerdings nur unter drei Bedingungen:

  • Der Vertrag wurde zwischen 11.06.2010 und 20.03.2016 geschlossen (BGBl. 2016 I S. 396) und
  • die Widerrufsbelehrung ist fehlerhaft und
  • der Vertrag wurde noch nicht auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers hin vollständig abgewickelt (EuGH, Az.: C-143/18).

Kann ich die Vorfälligkeitsentschädigung von der Steuer absetzen?

Ob die Vorfälligkeitsentschädigung steuerlich geltend gemacht werden kann, hängt davon ab, ob die Immobilie selbst genutzt oder vermietet ist:

  • Bei selbstgenutzten Immobilien können Darlehenskosten grundsätzlich steuerlich nicht geltend gemacht werden, folglich auch keine Kosten für die Vorfälligleistentschädigung.
  • Bei vermieteten Immobilien können solche Kosten aber geltend gemacht werden. Da Zinsen für ein Darlehen als Werbungskosten steuerlich absetzbar sind, sind es auch die Kosten für die Vorfälligkeistentschädigung, sofern die Wohnung weiterhin vom Eigentümer vermietet wird.
  • Anders sieht es aus, wenn die Immobilie verkauft wird und deshalb der Kredit vorzeitig aufgelöst wird. Dann stehe diese Kosten nicht mehr im Zusammenhang mit einer Vermietung oder Verpachtung und können laut einem Urteil des Bundesfinanzhofs auch nicht mehr steuerlich geltend gemacht werden (BFH, Az.: VIII R 34/04).
  • Wird eine vermietete Immobilie innerhalb von weniger als zehn Jahren nach Erwerb wieder veräußert, so müssen Spekulationsgewinne als Einkommen versteuert werden. In diesem Fall sind die Kosten für eine Vorfälligkeistentschädigung zwar immer noch keine Werbunsgkosten, können aber als Veräußerungskosten den Gewinn und damit die Steuerlast senken.

Alternative zur vorzeitigen Kreditablösung: Forward-Darlehen

Wer weiter steigende Zinsen erwartet, kann sich unter Umständen heute schon die aktuellen Zinsen für die Zukunft sichern – mit Hilfe eines Forward-Darlehens: Dabei werden – gegen einen kleinen Zinsaufschlag – heute schon die Konditionen für eine Anschlussfinanzierung in der Zukunft vereinbart.

 

Frank Kemter20.06.2022

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1 Kommentar

Anna am 26.04.2018 15:19

Eine kleine Ergänzung: Der Widerrufsjoker scheint noch zu funktionieren, allerdings nur für Darlehen, die zwischen 2010 und 2016 abgeschlossen wurden. Ältere Fälle sind verjährt, neuere Verjähren nach gut einem Jahr.

Quelle: rechtecheck.de/vorfaelligkeitsentschaedigung-bei-kuendigung-von-krediten/

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