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In vielen Regionen Deutschlands ist Bauland rar und teuer. Manche Hausbauträume scheitern dann allein daran, dass kein passendes Grundstück gefunden beziehungsweise finanziert werden kann. Das Erbbaurecht, oft auch Erbpacht genannt, bietet die Möglichkeit, ein Haus auf einem Grundstück zu bauen, das einem anderen Eigentümer gehört. Doch ist das wirklich eine Alternative zum Grundstückskauf?
Das Prinzip des Erbbaurechts funktioniert folgendermaßen: Ein Bauherr –Erbbaurechtsnehmer oder Erbbauberechtigter genannt – pachtet für einen Zeitraum von meist mehreren Jahrzehnten ein Grundstück, um darauf sein Haus zu bauen. Dafür zahlt er dem Eigentümer – dem Erbbaurechtsgeber – eine Pachtgebühr, den sogenannten Erbbauzins.
Umgangssprachlich wird für das Erbbaurecht auch der Begriff Erbpacht verwendet. Im rechtlichen Sinne aber ist Erbpacht eine historische Form landwirtschaftlichen Grundbesitzes, die seit 1947 verboten ist.
Zu den Grundstückseigentümern, die Erbbaurechte vergeben, gehören beispielsweise Gemeinden, Kirchen und Stiftungen, aber auch Privatpersonen. Für letztere ist die Erbpacht in erster Linie eine Geldanlage, etwa für ihre Altersvorsorge. Gemeinnützige Grundeigentümer wie die Kirchen gewähren beim Erbbauzins zum Teil Vergünstigungen nach sozialen Gesichtspunkten, zum Beispiel für kinderreiche Familien. Kommunen, die unter Haushaltsaufsicht stehen, sind dagegen eher verpflichtet, Einnahmen nach Marktwert zu erzielen.
Wer einen Kredit abschließt, zahlt für das geliehene Kapital Zinsen. Das ist im Erbbaurecht nicht anders: Hier muss der Erbbaurechtsnehmer einen vereinbarten Erbbauzins an den Grundstückseigentümer zahlen. Der Erbbauzins orientiert sich meist am Grundstückswert und liegt zwischen drei und fünf Prozent des Grundstückswerts pro Jahr.
Da der Zinssatz frei vereinbar ist, kann er beispielsweise für kinderreiche Familien auch niedriger ausfallen.
Steht im Erbbaurechtsvertrag eine Wertsicherungsklausel wird der Erbbauzins an einen vertraglich vereinbarten Preisindex angepasst, meist dem vom Statistischen Bundesamt ermittelten Verbraucherpreisindex. Für gewöhnlich geschieht dies alle fünf Jahre. Anders als der Zinssatz beim gewöhnlichen Hypothekendarlehen mit vergleichsweise kurzer Laufzeit, kann sich der Erbbauzins also während der Laufzeit ändern. Der Erbbauzins wird als Reallast in das Erbbaurechtsgrundbuch eingetragen. Hier findet sich auch die Vormerkung zur Erbbauzinsanpassung.
Achtung: Diese Anpassung führt dazu, dass sich die Schulden bei der Erbpacht nicht verringern. Anders als beim klassischen Hypothekendarlehen erhöht sich stattdessen die monatliche finanzielle Belastung des Pächters durch die regelmäßige Anpassung des Erbbauzinssatzes.
Der Erbbauzins darf vom Erbpachtrechtgeber nicht nach Gutdünken angehoben werden. Dafür gibt es klare, gesetzlich geregelte Vorgaben. Nach Paragraf 9a Änderung; Erhöhung des Erbbauzinses der Erbbaurecht-Verordnung, kann er erst nach drei Jahren nach Erbpachtvertragsabschluss angehoben werden. Grundlage ist dann der Verbraucherpreisindex. Erst nach Ablauf weitere drei Jahre ist dann eine erneute Erhöhung erlaubt.
Erbbaurechtgeber und -nehmer schließen über das Pachtverhältnis beim Notar einen Vertrag ab. Darin werden unter anderem die folgenden Punkte festgelegt:
Petra Uertz, Bundesgeschäftsführerin des Verbands Wohneigentum, empfiehlt Bauherren, beim Vertragsabschluss auf folgende Punkte zu achten:
Das Erbbaurecht wird beim Amtsgericht in einem speziellen Erbbaugrundbuch eingetragen und zusätzlich als Belastung im normalen Grundbuch. Auch beim Erbbaurecht geht es also für den Vertragsabschluss zum Notar.
Neben dem vereinbarten Erbbauzins müssen Erbbaurechtsnehmer noch eine Reihe andere Kosten tragen – obwohl sie keine Grundstückseigentümer sind:
Wenn nicht anders vereinbart, geht mit dem Ablauf der Pachtzeit das Haus auf den Grundstückseigentümer über. Der Erbbaurechtnehmer erhält dafür eine Entschädigung, die laut Gesetz mindestens zwei Drittel des allgemeinen Wertes betragen muss. Ein Anspruch auf eine höhere Entschädigung besteht nur, wenn dies im Vertrag vereinbart wurde.
Auch eine Vertragsverlängerung oder ein Neuvertrag zwischen den bisherigen Partnern sind möglich, einen Anspruch darauf hat der Erbbaurechtnehmer aber nicht. Sofern das Grundstück weiterhin in Erbpacht genutzt werden soll, steht ihm jedoch ein Vorrecht gegenüber anderen Interessenten zu.
Ein Erbbaurechtsvertrag kann von beiden Seiten vor Ablauf des Vertragszeitraums grundsätzlich nur mit beidseitigem Einvernehmen aufgelöst werden. Allerdings hat der Erbbaurechtsgeber in bestimmten Fällen ein einseitiges Sonderkündigungsrecht. Dieser sogenannte Heimfall kann beispielsweise eintreten, wenn der Erbbaurechtsnehmer den Pachtzins nicht mehr zahlen kann, das Grundstück verwahrlosen lässt, anderweitig seine Vertragspflichten verletzt oder auch bei Eigenbedarf des Erbbaurechtsgebers. Dem Erbbaurechtsnehmer steht im Heimfall eine Entschädigung von mindestens zwei Drittel des Gebäudewertes zu.
Der Erbbaurechtnehmer kann sein Erbbaurecht nicht während der Vertragslaufzeit einseitig kündigen, aber verkaufen. Er braucht dazu aber die Zustimmung des Eigentümers, dem auch ein Vorkaufsrecht zusteht. Allerdings kann der Erbbaurechtgeber die Zustimmung nur verweigern, wenn es dafür triftige Gründe gibt. Ein solcher Grund könnte zum Beispiel vorliegen, wenn der Käufer das Gebäude statt zum Wohnen zukünftig für ein Gewerbe nutzen will.
Erbpacht ist nicht in jedem Fall günstiger als der Grundstückskauf, vor allem nicht in Zeiten niedriger Bauzinsen. Bei einem Zins für Baukredite von zwei bis drei Prozent lohnt es sich auch bei langfristiger Zinsbindung finanziell nicht, ein Grundstück zum Erbbauzins von drei oder vier Prozent zu pachten. Das macht ein Rechenbeispiel deutlich:
Eigenkapital: 70.000 Euro
Kosten für das Haus: 350.000 Euro
Grundstückskosten: 150.000 Euro
Kosten gesamt: 500.000 Euro
Daraus ergibt sich ein Kreditbedarf von 430.000 Euro.
Kreditkonditionen:
15 Jahre Zinsbindung
3,0 % Sollzins
2 % Tilgung
Die monatliche Kreditrate liegt bei 1.792 Euro.
Nach knapp 31 Jahren Gesamtlaufzeit des Darlehens* hätten die Bauherren rund 657.500 Euro samt Zinsen für Grundstück und Haus abbezahlt.
Eigenkapital: 70.000 Euro
Kosten für das Haus: 350.000 Euro
Grundstückskosten: 0 Euro
Kosten gesamt: 350.000 Euro
Daraus ergibt sich ein Kreditbedarf von 280.000 Euro.
Kreditkonditionen:
15 Jahre Zinsbindung
3,0 % Sollzins
2 % Tilgung
Die monatliche Kreditrate liegt bei 1.167 Euro.
Nach knapp 31 Jahren Gesamtlaufzeit des Darlehens* hätten die Bauherren mit rund 428.000 Euro inklusive Zinsen das Haus abbezahlt. Zur Kreditrate kommt der Erbbauzins für das Grundstück im Wert von 150.000 Euro hinzu.
Beispielrechnung für drei Zinsvarianten:
Erbbauzins | monatliche Pachtgebühr | monatliche Gesamtbelastung | |
2 % | 250 Euro | 1.533 Euro | |
3 % | 375 Euro | 1.658 Euro | |
4 % | 500 Euro | 1.783 Euro |
Bei einem Pachtzins von vier Prozent wäre die monatliche Belastung bei der Erbpacht im Vergleich zum Hausbau mit Grundstückskauf etwa gleich hoch.
Allerdings gilt es zu bedenken: Der Erbbauzins kann im Laufe der Jahre steigen, wenn die Raten an die Preissteigerung angepasst werden. Außerdem hat der Käufer eines Hauses mit Grundstück nach Tilgung seines Darlehens keine monatlichen Belastungen mehr, während der Erbpachtnehmer weiter seine monatlichen Erbbauzinsen zahlen muss.
*) Nicht berücksichtigt sind mögliche Änderungen der Darlehenskonditionen nach Ablauf der Zinsbindungsfrist beziehungsweise der Höhe des Erbpachtzinses
Finanziell lohnt sich die Erbpacht in Niedrigzinsphasen also allenfalls bei geringem Erbbauzins.
Manche Banken haben Vorbehalte gegen die Finanzierung eines Bauvorhabens auf einem Erbbaugrundstück. Schließlich sind die Bauherren nicht Eigentümer und der Erbbaurechtgeber hat Mitspracherechte. Diese Frage sollten Bauherren daher rechtzeitig mit ihrer Bank klären.
Für die staatliche Förderung, zum Beispiel durch KfW- oder Länderprogramme, macht es in der Regel keinen Unterschied, ob das Bauvorhaben auf einem gekauften oder einem Erbbaugrundstück realisiert wird.
Vorteil | Nachteil |
Ersparnis in Zeiten hoher Bauzinsen | in Niedrigzinsphasen oft teurer als Grundstückkauf |
mehr Eigenkapital für den Hausbau verfügbar | Erbbauzins steigt während der Laufzeit |
teilweise Vergabe nach sozialen Kriterien (z.B. bei kirchlichen Grundeigentümern) | Mitspracherecht des Grundstückseigentümers, z.B. bei Umbau oder Hypothekenbelastung |
je nach Region Zugang zu Grundstücken in attraktiven Lagen | Grundstück bleibt Eigentum des Erbbaurechtgebers |
kann vererbt und verkauft werden | bei geringer Restlaufzeit des Pachtvertrags schwierig zu verkaufen |
Zusammengefasst überwiegen bei der Erbpacht wohl eher die Nachteile. Zum einen müssen dennoch Grunderwerbsteuer, Grundsteuer oder gar Erschließungskosten gezahlt werden. Zum anderen garantiert selbst ein Grundstück mit einem niedrigen Erbbauzins nämlich nicht, dass auch auf Dauer die Kosten gegenüber einem Darlehen für Haus und Grundstück niedriger sind.
Wird nämlich der Erbbauzins während des Vertrags anhand der Wertsicherungsklausel angepasst, kann dies durchaus teurer werden, als es bei Vertragsabschluss bedacht war. Als Grundlage der Erhöhung dient der jeweils aktuelle Verbraucherpreisindex des Statistischen Bundesamts. In den Wert fließt unter anderem die Inflationsrate ein. Diese ist im März 2022 beispielsweise auf über sieben Prozent gestiegen – so hoch wie seit rund 40 Jahren nicht mehr.
Ein Haus auf einem gepachteten Grundstück ist also unter Umständen nicht krisensicher, weil im schlechtesten Fall der Erbbauzins massiv steigt. Auch im Rentenalter kann der Erbbauzins den finanziellen Spielraum erheblich einschränken, da zusätzlich auch Geld für Sanierungen und Reparaturen bedacht werden müssen.
Zu guter Letzt hinterlässt man seiner Familie zwar ein Haus, für dass sie aber unter Umständen über Jahrzehnte weiterhin aufkommen müssen, um es dann nach Ende der Pachtzeit unter Wert an den Erbbaurechtsgeber zu verkaufen.
alba am 03.07.2019 10:24
Vielen Dank für diese sehr gut geschriebene Information.
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