Lesermeinungen:
Wer ein vor vielen Jahren abgeschlossenes Hypothekendarlehen am Laufen hat, kann in manchen Fällen aus seinem Altvertrag aussteigen. Denn sollten die Zinsen weiter steigen, wird die Anschlussfinanzierung zu einem späteren Zeitpunkt teurer.
Nach Jahren der Niedrigzinsphase steigen die Baufinanzierungszinsen seit Anfang 2022 kräftig an. Seit Mitte 2023 haben sich die Zinsen auf einem vergleichsweise hohen Niveau stabilisiert, manche Experten schätzen aber mit einem weiteren Ansteigen der Zinsen. Wer ein laufendes Immobiliendarlehen hat, sollte deshalb überlegen, sich jetzt die aktuellen Zinsen für eine Anschlussfinanzierung zu sichern, statt noch weiter abzuwarten. Doch nicht in allen Fällen ist es möglich, ein Immobiliendarlehen vorzeitig abzulösen.
Wer ein Haus oder eine Eigentumswohnung kauft, vereinbart mit der Bank für die Finanzierung eine bestimmte Vertragslaufzeit, in der die Zinsen festgeschrieben sind. Solche Vereinbarungen im Darlehensvertrag sind bindend. Das Darlehen vorzeitig abzulösen, ist in der Regel erst nach zehn Jahren Laufzeit möglich. Vorher geht das nur in bestimmten Fällen, zum Beispiel, wenn das Haus aufgrund einer Scheidung verkauft werden muss. Dann müssen die Kreditnehmer aber eine Strafzahlung an die Bank in Form einer Vorfälligkeitsentschädigung zahlen.
Nach Ablauf von mindestens zehn Jahren hat der Kreditnehmer ein Recht auf Sonderkündigung. Mit einer Kündigungsfrist von sechs Monaten kann er das Immobiliendarlehen kündigen und die Kreditsumme tilgen. Die Bank hat diese Möglichkeit nicht.
Wichtig: Der Darlehensnehmer muss in diesem Fall der Bank keine Vertragsstrafe in Form einer sogenannten Vorfälligkeitsentschädigung zahlen. Auf den Gewinn, den sie in den kommenden Jahren noch mit dem Immobiliendarlehen gemacht hätte, muss sie ersatzlos verzichten.
Herr Maier hat vor rund 10 Jahren eine Immobilie mit einer 15-jährigen Zinsbindung finanziert und könnte jetzt oder auch später dieses Darlehen ablösen.
Szenario 1: Herr Meier kündigt seinen Kredit jetzt:
Finanzierungsbedarf: 200.000 Euro
Darlehenszins: 2,5 Prozent
Anfangstilgung: 2 Prozent
Laufzeit: 10 Jahre
Szenario 2: Herr Meier kündigt sein Darlehen erst in einem Jahr, die Zinsen sind zwischenzeitlich gestiegen:
Finanzierungsbedarf: 200.000 Euro
Darlehenszins: 4 Prozent
Anfangstilgung: 2 Prozent
Laufzeit: 10 Jahre
Für die Kosten der Finanzierung bedeutet das folgendes:
Darlehen mit 2,5 % Zinsen | Darlehen mit 4 % Zinsen | |
Monatliche Rate: | 750 Euro | 1.000 Euro |
Zinsen in 10 Jahren: | 44.600 Euro | 71.000 Euro |
Gesamtkosten in 10 Jahren: | 90.000 Euro | 120.000 Euro |
Restschuld nach 10 Jahren: | 154.600 Euro | 151.000 Euro |
Die höheren Zinsen würden zu einer fast 250 Euro höheren monatlichen Belastung in den kommenden zehn Jahren führen. Die zu zahlenden Gesamtzinsen in 10 Jahren wären 26.400 Euro höher.
Wenn Immobilienbesitzer von ihrem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen und ihren Darlehensvertrag nach zehn Jahren kündigen, darf die Bank keine Vorfälligkeitsentschädigung verlangen.
Muss das Immobiliendarlehen aber aus wichtigen Gründen vor der Zehnjahresfrist gekündigt werden – zum Beispiel weil das Haus wegen einer Scheidung verkauft werden muss – verlangt die Bank für den entgangenen Gewinn eine Vorfälligkeitsentschädigung. Eine solche Vorfälligkeitsentschädigung kann schnell eine fünfstellige Summe betragen.
Wer sein Darlehen ablösen will, muss sich rechtzeitig um eine gute Anschlussfinanzierung kümmern, mit der er den alten Kredit tilgen kann.
Es ist möglich, die Anschlussfinanzierung bei einer anderen Bank abzuschließen, dann sind aber unter Umständen Änderungen im Grundbuch nötig:
Bei ersterer Variante fallen Kosten in Höhe von etwa einem Prozent der ursprünglichen Darlehenssumme an. Dies entspricht bei einem 300.000-Euro-Darlehen 3.000 Euro. Bei der Abtretung sind die Kosten geringer: rund 700 Euro bei einem 300.000-Euro-Darlehen.
Erfahre hier, wie du mit deiner neuen Anschlussfinanzierung die Restschuld richtig tilgst.
Kreditverträge müssen eine Widerrufsbelehrung enthalten, die den Darlehensnehmer über sein 14-tägiges Widerrufsrecht aufklärt: Innerhalb von zwei Wochen nach Vertragsschluss kann der Kreditnehmer ohne Angabe von Gründen von seinem Darlehensvertrag zurücktreten. Klärt ihn der Darlehensgeber nicht oder fehlerhaft über das Widerrufsrecht auf, verlängert sich das Widerrufsrecht um ein Jahr und der Darlehensnehmer kann ohne Vorfälligkeitsentschädigung aus dem Vertrag kommen (§ 356 Abs. 3 Satz 2 BGB).
Bei fehlerhaften Widerrufsbelehrungen gab es früher einen Widerrufsjoker, der quasi ein ewiges Widerrufsrecht ermöglichte: Auch noch Jahre nach Vertragsschluss konnten betroffene Darlehensnehmer einfach so den Darlehensvertrag kündigen. Dabei erhielten sie sogar oft für zu viel entrichtete Zinsen noch Geld von der Bank.
Doch dieses Recht hat die Bundesregierung Anfang 2016 für viele Altfälle gestrichen: Betroffene, die ihren Kreditvertrag zwischen dem 1.09.2002 und 10.06.2010 abgeschlossen hatten, können ihren Darlehensvertrag jetzt in keinem Fall mehr widerrufen (BGBl. 2016 I S. 396). Einzig für Verträge, die zwischen dem 11.06.2010 und 20.03.2016 geschlossen wurden, kann es weiterhin ein ewiges Widerrufsrecht geben – vorausgesetzt, der Vertrag wurde nicht bereits auf ausdrücklichen Wunsch des Verbrauchers hin vollständig abgewickelt (EuGH, Az.: C-143/18).
Wer keine Möglichkeit hat, das Darlehen abzulösen – weil es noch keine zehn Jahre läuft – sollte, wenn möglich, Sondertilgungsoptionen in Anspruch nehmen. In den meisten Darlehensverträgen wird diese Option gewährt. Der Vorteil: Selbst, wenn zu dem späteren Zeitpunkt die Zinsen für die Anschlussfinanzierung hoch sein sollten, so ist wenigstens die Restschuld geringer und damit die künftige Belastung.
Frank Kemter21.12.2023Die immowelt Redaktion verfügt über ein breites Immobilienwissen und bietet den Lesern sorgfältig recherchierte Informationen in hilfreichen Ratgebertexten. Der Anspruch der immowelt Experten ist es, komplexe Sachverhalte möglichst einfach wiederzugeben. Sämtliche Inhalte werden regelmäßig überprüft und verlässlich aktualisiert. Die immowelt Redaktion kann und darf keine rechtsgültige Beratung leisten. Für rechtsverbindliche Auskünfte empfehlen wir stets den Rat eines Fachanwalts, Eigentümer- oder Mieterverbands einzuholen.