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Eigentümer neu gebauter Immobilien sollen wieder von höheren steuerlichen Abschreibungen profitieren können. Um den Wohnungsneubau anzukurbeln, will die Bundesregierung die degressive Absetzung für Abnutzung (AfA) für Wohngebäude wieder einführen – mit deutlich höheren Abschreibungssätzen in den ersten Jahren. Was das für Investoren bedeutet, klärt unser Beitrag.
AfA steht für Absetzung für Abnutzung. Jedes Jahr kann ein bestimmter Prozentsatz der Anschaffungs- oder Herstellungskosten vom zu versteuernden Einkommen abgezogen werden, was die Steuerlast mindert. Die degressive Abschreibung auf Abnutzung für Wohngebäude ist ein zentraler Baustein des kürzlich verabschiedeten Wachstumschancengesetzes. Mit der neuen degressiven AfA soll in den ersten Jahren ein deutlich höherer Abschreibungssatz gelten. Die neue AfA ist demzufolge als degressive AfA ausgestaltet, die sich von der herkömmlichen linearen AfA unterscheidet.
Bei der linearen AfA wird über den gesamten Abschreibungszeitraum ein fester Prozentsatz abgeschrieben. Bei Altbauten beträgt die AfA hierzulande 2, beziehungsweise 2,5 Prozent der Anschaffungskosten über einen Zeitraum von 50, beziehungsweise 40 Jahren. Bei Neubauten liegt sie aktuell noch bei 3 Prozent über 33 Jahre. Rund 20 Jahre lang gab es in Deutschland nur die lineare AfA.
Bei der jetzt geplanten Wiedereinführung der degressiven AfA ändert sich der Abschreibungssatz während des Abschreibungszeitraums. In den ersten Jahren gelten dann höhere Abschreibungssätze, in den späteren Jahren geringere. Für Anleger bedeutet das: Steuervorteile sind sofort wirksam.
Geplant ist, dass Bauherren und Käufer neuer Mietwohnungen in den ersten 6 Jahren jeweils 6 Prozent der Anschaffungs-, beziehungsweise Herstellungskosten von ihrem zu versteuernden Einkommen abziehen können. Ab dem siebten Jahr soll dann der reguläre Abschreibungssatz der linearen AfA gelten. Ein vorzeitiger Wechsel zur linearen AfA ist möglich.
Dabei gibt es bei den Baukosten keine Obergrenzen – es werden also auch sehr luxuriöse und teure neue Wohnungen gefördert. Allerdings muss der energetische Standard mindestens dem KfW-Effizienzstandard 55 entsprechen, um die Förderung in Anspruch nehmen zu können. Die Förderung soll für alle Projekte mit einem Baubeginn ab dem 1. Oktober 2023 bis zum 30. September 2029 gelten. Handelt es sich um eine Eigentumswohnung, so muss der Kaufvertrag innerhalb dieser Zeitspanne geschlossen worden sein.
400.000 neue Wohnungen jährlich – so lautet das erklärte Ziel der Bundesregierung. Doch das ist momentan illusorisch. Betrachtet man die aktuellen Zahlen von Baugenehmigungen, wäre gar die Hälfte der geplanten Zahl noch optimistisch. Infolge galoppierender Baupreise und gestiegener Zinsen geht die Fertigstellung von Neubauten und insbesondere die Genehmigung neuer Bauvorhaben so massiv zurück, dass das Ziel inzwischen in sehr weite Ferne gerückt ist. Um dem entgegenzuwirken, soll die neue degressive AfA die Neubautätigkeit puschen.
Das Ehepaar Scholz hat ein jährliches zu versteuerndes Einkommen in Höhe von 120.000 Euro und erwirbt von einem Bauträger eine Eigentumswohnung für 650.000 Euro. Im Kaufpreis enthalten ist auch der anteilige Wert des Grundstücks in Höhe von 150.000 Euro, der nicht über die AfA abgesetzt werden kann. Abschreiben kann Familie Scholz also nur 500.000 Euro.
Zur Finanzierung nimmt Familie Scholz ein Darlehen in Höhe von 500.000 Euro auf, für das 4 Prozent Zinsen und 2 Prozent Tilgung fällig werden, das entspricht einer Monatsrate von 2.500 Euro. Den Rest des Kaufpreises und die Kaufnebenkosten (rund 200.000 Euro) stemmt das Ehepaar Scholz mit Eigenkapital. Die Zinsen (nicht jedoch die Tilgung!) können steuermindernd abgezogen werden. Die Wohnung wird für monatlich 1.500 Euro, jährlich also 18.000 Euro vermietet.
Im ersten Jahr der Abschreibung sieht die Rechnung in etwa wie folgt aus:
zu versteuerndes Jahreseinkommen (alt) | 120.000 Euro |
plus Mieteinnahmen | 18.000 Euro |
abzüglich degressiver AfA (6 % von 500.000) | 30.000 Euro |
abzüglich Zinsen (circa) | 20.000 Euro |
zu versteuerndes Jahreseinkommen (neu) | 88.000 Euro |
Das zu versteuernde Einkommen sinkt demzufolge im ersten Jahr der Abschreibung um 32.000 Euro. Bei der degressiven AfA kann in den Folgejahren aber jeweils immer nur der um die Abschreibung des Vorjahres verringerte Restwert der Immobilie mit dem erhöhten Abschreibungssatz abgeschrieben werden. Der abschreibungsfähige Restwert der Immobilie entwickelt sich in den ersten 6 Jahren wie folgt:
1. Jahr: 500.000 Euro (Abschreibung: 30.000 Euro)
2. Jahr: 470.000 Euro (Abschreibung: 28.200 Euro)
3. Jahr: 441.800 Euro (Abschreibung: 26.508 Euro)
4. Jahr: 415.292 Euro (Abschreibung: 24.918 Euro)
5. Jahr: 390.374 Euro (Abschreibung: 23.422 Euro)
6. Jahr: 366.952 Euro (Abschreibung: 22.017 Euro)
Restwert im 7. Jahr (Wechsel zur linearen AfA): 344.935 Euro
Familie Scholz dürfte also in den kommenden 6 Jahren jeweils eine fünfstellige Summe im unteren Bereich an Steuern sparen. Allerdings übersteigen die laufenden Kosten aus Zinsen und nicht absetzbarer Tilgung mit 30.000 Euro die Mieteinnahmen erheblich. In Summe erwirtschaftet die Familie also künftig keinen Überschuss, sondern hat etwas weniger Geld in der Haushaltskasse. Denn zusätzlich sollte die Familie auch noch Rücklagen für künftige Instandhaltungen bilden und muss nicht umlagefähige Nebenkosten, etwa für die Hausverwaltung tragen.
Ab dem 7. Jahr folgt ein Wechsel von der degressiven zur linearen AfA. Es können dann gleichbleibend hohe Abschreibungen vorgenommen werden, bis die Immobilie zu 100 Prozent abgeschrieben ist. Zudem können dann auch weniger Zinsen abgesetzt werden, da ein Teil des Darlehens bis dahin ja schon zurückgezahlt ist und bei einem Annuitätendarlehen die Zinsen nur auf die Restschuld zu zahlen sind, während der nicht absetzbare Zinsanteil an der Darlehensrate steigt. Ab dem 7. Jahr sieht die Berechnung unter Berücksichtigung nachfolgender Annahmen dann wie folgt aus:
Annahmen:
zu versteuerndes Jahreseinkommen (alt) | 130.000 Euro |
plus Mieteinnahmen | 20.000 Euro |
abzüglich lineare AfA (3 % von 344.935) | 10.348 Euro |
abzüglich Zinsen (circa) | 17.000 Euro |
zu versteuerndes Jahreseinkommen (neu) | 122.652 Euro |
Ab dem 7. Jahr sinkt das zu versteuernde Einkommen nur noch um 7.500 Euro jährlich, was zu einer deutlich geringeren Steuerersparnis führt. Die laufenden Kosten für Zinsen und Instandhaltungen lassen sich durch die Mieteinnahmen und die Steuerersparnis bei weitem nicht mehr decken. Das verfügbare Einkommen der Familie Scholz sinkt demzufolge.
Ein weiterer Knackpunkt: Familie Scholz hat beim Kauf rund 200.000 Eigenkapital eingesetzt. Hätte das Paar dieses Geld anderweitig angelegt, hätte es daraus Erträge etwa in Form von Zinsen erzielen können.
Nach Ansicht der Baubranche geht die neue AfA nicht weit genug. Um Investitionen in den Neubau anzukurbeln, bedürfe es weiterer Anreize wie etwa Zinsverbilligungen, Zuschüsse, geringere Grunderwerbsteuer und geringere Baustandards, mahnt etwa der Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB). Bei den derzeitigen Baukosten wären Investitionen in den Neubau also erst dann attraktiv, wenn eine extrem hohe Miete erzielbar wäre und der Steuerpflichtige ein Einkommen im Bereich des Spitzensteuersatzes hat. Dieses Dilemma lässt sich auch durch eine noch so hohe Abschreibung nicht wirklich lösen.
Frank Kemter08.09.2023Dietmar am 12.09.2023 15:55
Sorry, da Mieteinnahmen versteuert werden müssen, verringert sich der Vermögenszuwachs auf ca. 11.400 EURO. 18.000 Eur Mieteinnahmen + 13.400 Steuerersparnis+ 10.000 Euro Tilgung abzüglich 30.000 Eur Zins und Tilgung
auf Kommentar antwortenDietmar am 12.09.2023 15:44
M.E. Wird falsch gerechnet. 20.000 Euro Finanzierungskosten und 30.000 Euro Abschreibung für in dem Beispiel mindestens zu 20.000 EUR Steuererleichterungen. 18.000 EUR Mieteinahmen, also Gesamteinnahmen von 38.000 EUR. 8.000 EUR Gewinn und 10.000 EUR Tilgung bedeuten 18.000 EEur Vermögenszuwachs in 1. Jahr
auf Kommentar antwortenDietmar am 12.09.2023 15:51
Sorry, Mieteinnahmen müssen natürlich versteuert werden, somit nur 32.000 EUR abzusetzen. Bei 42% Grenzsteuersatz trotzdem 13.400 Steuerersparnis. Somit Gesamterlöse inkl. Mieteinnahmen 31.400 EUR. Zzgl. Tilgung somit Vermögenszuwachs aber immer noch 11.400 Euro.
immowelt-Redaktion am 13.09.2023 11:53
Hallo Dietmar,
vielen Dank für Ihren Kommentar.
In ihrem ergänzendem Kommentar, in dem sie auch die Steuern auf Mieteinnahmen berücksichtigen, kommen Sie im Prinzip (bis auf den Vermögenszuwachs) auf unser Ergebnis. Den Vermögenszuwachs aufgrund der laufenden Tilgung haben wir in unserer Beispielrechnung allerdings bewusst außen vor gelassen (das soll keine Vermögenszuwachsberechnung sein), da es uns hier eher darum geht, wie sich das Einkommen des Käufers entwickelt. Die monatliche Rate bleibt ja trotzdem gleich hoch und ein realer Vermögenszuwachs ließe sich ja erst genau beziffern, wenn die Immobilie wieder veräußert wird.
Wollte man in die Berechnung aber auch den Vermögenszuwachs miteinbeziehen, müsste man dann aber nicht nur den Zuwachs durch die laufende Tilgung mit einbeziehen, sondern auch den (fiktiven) Vermögensverlust durch die AfA, die ja eine fortlaufende Wertminderung (fiskalisch) unterstellt. Das hat zwar nichts mit der Realität zu tun, in unserer Beispielrechnung steht die Immobilie (ohne Grundstück) nach 6 Jahren aber nur noch mit einem Wert von rund 345.000 statt anfangs 500.000 Euro in den Büchern. Freilich gilt auch hier: Erst wenn verkauft wird, kann man den tatsächlichen Vermögenzuwachs beziffern.
Beste Grüße
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