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Zinsen machen beim Immobiliendarlehen einen großen Teil der Kosten aus. Seit Anfang 2022 sind die Zinsen für den Immobilienkauf nach langer Zeit wieder gestiegen. Zwar sind sie im langfristigen historischen Vergleich immer noch niedrig, doch hat der aktuelle Anstieg eine überraschende Dynamik. Erfahre hier, wie sich die Bauzinsen entwickeln, was ihre Höhe beeinflusst und wie Käufer bei steigenden Zinsen handeln sollten.
Nach Jahren absoluter Niedrigzinsen steigen die Bauzinsen seit etwa Anfang 2022 wieder deutlich an. Zwar haben die Zinsen historisch gesehen immer noch ein recht niedriges Niveau, Experten sind aber von der Dynamik des Anstiegs überrascht. Verglichen mit dem Tiefpunkt kletterten die Zinsen bereits um rund zwei Prozent und seit April 2022 beschleunigte sich der Zinsanstieg. Aktuell kosten Baukredite – je nach Beleihungswert und Laufzeit – in der Regel mindestens 3, teils auch schon über drei Prozent Zinsen. Es ist durchaus eine Trendwende, die sich gerade abzeichnet.
Zum Vergleich: Von Mitte 2019 bis Ende 2021 konnten Käufer Baukredite mit zehnjähriger Zinsbindung für 1 Prozent erhalten, Anfang des Jahres 2022 waren es noch 1,38 Prozent. Im März 2022 sind es eher 2 Prozent und im Juni schon bei 3 Prozent – oder bei kaum vorhandener Eigenkapitaldecke darüber.
Eine immowelt Analyse zeigt für die 14 größten deutsche Städte, wie stark sich die Annuitätenrate beim Kauf einer 75 Quadratmeter großen Bestandswohnungen erhöht hat:
Die Kaufpreise und Annuitätenraten (Anfang des Jahres 2022 und Juni 2022, mit einer Anfangstilgung von 2 Prozent) im Überblick:
Stadt | Kaufpreis Januar 2022 | Kaufpreis Juni 2022 | Januar: Annuität bei Zins von 1,38 Prozent | Juni: Annuität bei Zins von 3,34 Prozent | Differenz |
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Berlin | 397.000 € | 407.000 € | 1.010 € | 1.630 € | 620 € |
Bremen | 268.000 € | 276.000 € | 680 € | 1.110 € | 430 € |
Dortmund | 227.000 € | 233.000 € | 580 € | 930 € | 350 € |
Dresden | 228.000 € | 237.000 € | 580 € | 950 € | 370 € |
Düsseldorf | 421.000 € | 414.000 € | 1.070 € | 1.660 € | 590 € |
Essen | 237.000 € | 236.000 € | 600 € | 950 € | 350 € |
Frankfurt | 523.000 € | 522.000 € | 1.330 € | 2.090 € | 760 € |
Hamburg | 535.000 € | 541.000 € | 1.360 € | 2.170 € | 810 € |
Hannover | 330.000 € | 321.000 € | 840 € | 1.290 € | 450 € |
Köln | 429.000 € | 428.000 € | 1.090 € | 1.710 € | 620 € |
Leipzig | 215.000 € | 216.000 € | 550 € | 870 € | 320 € |
München | 767.000 € | 760.000 € | 1.940 € | 3.040 € | 1.100 € |
Nürnberg | 320.000 € | 329.000 € | 810 € | 1.320 € | 510 € |
Stuttgart | 452.000 € | 461.000 € | 1.150 € | 1.850 € | 700 € |
Dass die Zinsen jetzt wieder steigen, hat vielfache Ursachen. Zum einen spielt die hohe Inflation eine entscheidende Rolle, aber auch Unsicherheiten hinsichtlich der Zukunft – etwa bei globalen Lieferketten. Zudem sind auch die Zinsen von Staatsanleihen wieder gestiegen.
Langfristige Zins-Prognosen sind nur schwer möglich. Vieles spricht aber dafür, dass sich die Zinsen 2023 auf dem erhöhten Niveau verfestigen oder noch etwas weiter steigen. Aufgrund der hohen Inflation hat die Europäische Zentralbank (EZB) binnen weniger Monate den Leitzins bereits mehrfach erhöht. Von ursprünglich 0 auf mittlerweile 3,75 Prozent.
Für Immobilienkäufer und Bauherren, aber auch für Eigenheimbesitzer, die absehbar eine Anschlussfinanzierung benötigen, ist die Zinsentwicklung sehr wichtig.
Wer aktuell eine Immobilie erwerben will, sollte zügig die Finanzierung absichern. Denn es ist durchaus möglich, dass die Zinsen noch weiter steigen werden; dafür, dass sie wieder sinken könnten, gibt es aktuell keine Signale.
Dennoch sollten sich potenzielle Immobilienkäufer bei ihrer Entscheidung nicht nur die Zinsentwicklung, sondern auch die Immobilienpreise im Blick behalten.
In den letzten Jahren sind die Immobilienpreise immens gestiegen – ein Grund dafür waren auch die seit Jahren historisch niedrigen Zinsen: Denn bei Niedrigzinsen können sich Immobilienkäufer ein höheres Darlehen leisten, die Nachfrage nach Immobilien steigt also. Zudem gibt es für klassische Anlageprodukte wie Festgeld oder Pfandbriefe kaum noch Zinsen, so dass Immobilien als alternative Kapitalanlage vielen Anlegern sinnvoll erscheinen.
Wenn nun jedoch in den nächsten Monaten und Jahren tatsächlich eine Zinswende eintritt und die Zinsen weiter steigen, dann könnte das eher den Effekt haben, dass die Nachfrage nach bestimmten Immobilien sinkt, weil sich viele Menschen eben kein Darlehen mehr leisten können. Die Immobilienpreise könnten dann unter Druck geraten. Das kann wiederum zu Problemen bei einer späteren Anschlussfinanzierung führen. Wird der Wert der Immobilie in einigen Jahren plötzlich niedriger eingeschätzt, steigt der sogenannte Beleihungslauf – also das Verhältnis von Immobilienwert zu Darlehen. Weil für die Bank dann ein höheres Risiko besteht, berechnet sie bei der Anschlussfinanzierung zu den gestiegenen Zinsen vielleicht sogar noch einen Aufschlag.
Bei einigen Immobilienbesitzern läuft demnächst die erste Sollzinsbindung aus und sie müssen sich um einen Anschlussfinanzierung kümmern. Wer als Immobilienbesitzer jetzt ein Forward-Darlehen abschließen will, um sich das aktuelle Niveau für die Zukunft zu sichern, muss mit einem Zinsaufschlag für die Reservierung des Darlehens rechnen. Wer also mit weiter steigenden Zinsen rechnet, sollte die Anschlussfinanzierung zügig angehen.
Wie hoch die Bauzinsen sind, wird unter anderem durch die Zinsen von Staatsanleihen und von der Zinspolitik der Notenbanken beeinflusst aktuell spielen auch Inflationserwartungen eine Rolle.
In Europa sind vor allem die Leitzinsen der Europäischen Zentralbank (EZB) ein wichtiger Ausgangspunkt für die Entwicklung der Hypothekenzinsen. Der Referenzzinssatz der EZB liegt aktuell bei null Prozent, das ist quasi die Untergrenze. Und an diesem Zinssatz orientieren sich – zumindest indirekt – auch die Zinsen für Immobilienkredite. Da Banken aber etwas verdienen wollen, müssen Bauherren trotz eines niedrigen Referenzzinssatzes Zinsen bezahlen.
Die Höhe des EZB-Leitzinses wiederum ist davon abhängig, wie die wirtschaftliche Lage und die Risiken für die Zukunft zu bewerten sind. Aktuell ist die Situation für die EZB besonders kritisch: Coronakrise, Lieferkrise, Ukraine-Krieg und Energiekrise haben die Inflation kräftig in die Höhe gepuscht, was eigentlich für eine Erhöhung des Leitzinssatzes spricht. Die fragilen und ungewissen wirtschaftlichen Aussichten und die hohe Verschuldung mancher EU-Länder halten die EZB aber von einer Zinswende ab. Das kann aber eine so genannte Stagflation zur Folge haben: Hohe Inflation und gleichzeitig stagnierendes Wirtschaftswachstum. Gleichzeitig steigen wegen dieser Aussichten die Zinsen am Kapitalmarkt und damit auch die Bauzinsen.
Doch nicht nur Konjunkturaspekte bestimmen den Zins. Auch Angebot und Nachfrage spielen eine Rolle. Werden weniger Darlehen nachgefragt, als die Banken vergeben möchten, müssen sich diese dann wegen des Konkurrenzdrucks mit niedrigeren Margen und somit für den Kunden niedrigeren Zinsen zufriedengeben.
Zusätzlich hängt die Zinsentwicklung neben der Zinspolitik der EZB aber auch noch davon ab, welche Zinsentwicklung Wertpapierverkäufer und -käufer erwarten. Erwarten diese Marktakteure höhere Zinsen und es ändert sich dadurch die Situation bei den Anleihen, also den festverzinsten Wertpapieren, steigen auch die Zinsen für Baukredite. Denn die Hypothekenbanken besorgen sich an Anleihemärkten das Geld für ihre Kredite.
Zwar ist das allgemeine Zinsumfeld für alle Banken gleich, trotzdem kann es von Bank zu Bank und auch von Käufer zu Käufer große Unterschiede bei den Hypothekenzinsen geben. Manche Käufer bekommen von der Bank Top-Konditionen, andere müssen höhere Zinsen zahlen. Verantwortlich dafür sind folgende Faktoren:
Ein wesentlicher Faktor sind die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Darlehensnehmers. Wer über einen sicheren Job und ein hohes und geregeltes Einkommen verfügt, wird von Banken als Kunde mit geringer Ausfallwahrscheinlichkeit gesehen und bekommt in der Regel Top-Konditionen.
Wer dagegen über ein geringeres Einkommen verfügt, vielleicht auch einen nicht allzu sicheren Job hat, stellt für die Bank ein höheres Risiko dar und bekommt, wenn überhaupt, nur einen Kredit mit schlechteren Konditionen.
Auch die Qualität einer Immobilie hat Einfluss auf die Konditionen der Baufinanzierung. Ein Haus in Top-Lage mit Wertsteigerungspotenzial ist als Sicherheit besser als eine Problemimmobilie, die sich im Zweifel nur schwer vermarkten ließe.
Der Beleihungswert ist der nachhaltige Wert einer Immobilie, also nicht unbedingt der Kaufpreis. Je näher die Darlehenshöhe am von der Bank ermittelten Beleihungswert liegt, desto riskanter ist das Darlehen für die Bank. Denn im Falle einer Insolvenz des Kunden und einer Zwangsversteigerung ist dann nicht sicher, dass die Bank an ihr Geld kommt. Demzufolge lässt sich das die Bank mit einem Risikoaufschlag bezahlen.
Umgekehrt gilt: Hat der Kunde viel Eigenkapital und muss nicht so viel fremdfinanzieren, wächst die Differenz zwischen Beleihungswert und Darlehenshöhe. Dadurch sinkt das Risiko für die Bank und diese kann bessere Konditionen gewähren. Die besten Konditionen bekommen Kunden, die weniger als 60 Prozent des Beleihungswertes finanzieren müssen.
Auch die Darlehenshöhe hat Einfluss auf die Zinsen. Grund: Der Arbeitsaufwand ist für die Banken für kleinere und größere Darlehen gleich hoch, folglich sind Darlehen mit niedrigen Summen etwas teurer als solche mit höheren Summen.
Immobiliendarlehen werden üblicherweise im Grundbuch abgesichert, dann hat die Bank im Falle einer Zwangsversteigerung Zugriff. Lediglich kleinere Darlehen, etwa für Sanierungsarbeiten, werden bisweilen auch ohne Grundbucheintrag vergeben. Da hier keine Absicherung erfolgt, sind die Zinsen für solche Darlehen aber in der Regel höher.
Auch die Länge der Zinsfestschreibung hat Einfluss auf die Höhe der Zinsen. Bei einer eher kürzeren Zinsbindung von beispielsweise fünf Jahren gewähren Banken in der Regel bessere Konditionen als bei einer längeren Zinsbindung von zehn oder 15 Jahren. Während der Zinsbindung bleiben für den Darlehensnehmer die Zinsen gleich. Nach Ablauf dieser Zinsbindung wird neu verhandelt, je nach Zinsumfeld sind dann bessere oder auch schlechtere Konditionen möglich.
Dennoch kann sich im aktuellen Zinsumfeld eine lange Laufzeit lohnen. Wer beispielsweise sein Darlehen mit einer Laufzeit von 15 Jahren abschließt, zahlt zwar etwas höhere Zinsen als bei einer nur fünf- oder zehnjährigen Zinsfestschreibung. Sollten die Zinsen in den kommenden Jahren allerdings steigen, muss das den Darlehensnehmer nicht interessieren, denn die Bank ist 15 Jahre an die Konditionen gebunden.
Der Kunde selbst hat dagegen die Chance, nach zehn Jahren mit einer sechsmonatigen Kündigungsfrist aus dem Kredit auszusteigen und nach besseren Konditionen zu suchen. Sollten also die Zinsen – was allerdings eher unwahrscheinlich ist – in zehn Jahren noch niedriger sein als aktuell, so kann das Darlehen nach einseitig vom Darlehensnehmer nach zehn Jahren vorzeitig gekündigt werden, um die noch günstigere Anschlussfinanzierung abzuschließen. Die Bank hat hingegen keine Möglichkeit, grundlos vorzeitig zu kündigen.
Gerade in Niedrigzinsphasen sollten Darlehensnehmer eine möglichst hohe Anfangstilgung vereinbaren, denn sonst dauert es Ewigkeiten, bis man schuldenfrei ist. Wer es sich leisten kann und mit vier oder fünf Prozent Anfangstilgung startet, wird damit meist mit einem etwas geringeren Zinssatz belohnt. Grund: eine höhere Tilgung bedeutet, dass der Kredit schneller abbezahlt wird – und damit das Risiko der Bank schneller sinkt als bei einem Darlehen mit niedrigem Tilgungssatz.
Gerade jetzt, wo die Bauzinsen wieder steigen, sollten Käufer Angebote von mehreren Banken einholen und vergleichen. Auf lange Sicht machen nämlich auch 0,1 oder 0,2 Prozentpunkte Unterschied eine beachtliche Summe aus.
Frank Kemter04.05.2023Die immowelt Redaktion verfügt über ein breites Immobilienwissen und bietet den Lesern sorgfältig recherchierte Informationen in hilfreichen Ratgebertexten. Der Anspruch der immowelt Experten ist es, komplexe Sachverhalte möglichst einfach wiederzugeben. Sämtliche Inhalte werden regelmäßig überprüft und verlässlich aktualisiert. Die immowelt Redaktion kann und darf keine rechtsgültige Beratung leisten. Für rechtsverbindliche Auskünfte empfehlen wir stets den Rat eines Fachanwalts, Eigentümer- oder Mieterverbands einzuholen.